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Grüße an die Jelinek!

  • Autorenbild: Mehdin M
    Mehdin M
  • 17. Feb.
  • 5 Min. Lesezeit

Dieser Post wird in österr. Standardsprache verfasst, um meinem schönen Österreich die öffentlich viel zu wenig ausgesprochene Wertschätzung preiszugeben, die es diesem schmalen, unbeträchtig kleinem Stück Land gebührt.  

 

Wo in der Welt steigst in Wien Hbf ein, fährst fünf Stunden in die Berge, und darfst Dich dann entspannt mit Bus zu und von der Piste bewegen. Ich mein, wo samma den außer daheim. Na gut, vielleicht sitzt in der Zugfahrt hinter Dir eine Dame, die - wohlmöglich aufgrund einer Sprachbarriere; weil Arroganz eine eigene Sprache spricht - ihren Hörer im ÖBB Ruhezone Wagon nicht von ihrer Ohrmuschel weglegen will und ihrem Gegenüber am Telefon völlig ergeben ist, dass ihr gar nichts anderes übrig bleibt, als ihr verwirrendes Gespräch mit dem Drittel der im Wagon sitzenden, unter anderen auch ranzenden Wiener, zu teilen.  

 

Da kann sich der Herr Herbert K. noch so lange beschweren, anstatt dass er sich mal vor Augen führt, wie weit es die Leute hier eigentlich gebracht haben… ich schleif gleich wieder ins politische, zurück zur Quintessenz dieses Beitrags. Du sitzt im Zug der ÖBB, liest enstpannt dein Buch und lasst die Zeit verweilen. Eine Busfahrt weiter, ein zugegeben anstrengender Fußweg hoch die Straße hinter der Busstation, dann rechts, dann 50 Meter den Weg rauf; dann erkennen, dass Du Dich am Privatweg befindest, und Dich mit übertrieben schämenden Blick (man will ja dem Besitzer deutlich mitteilen, falls er zuschaut, das man ortsunkundig ist und unbeabsichtigt sein riesiges Stück Grund [mit mehr Parkplätzen als viele Wohnhäußer besitzen] betreten hat) leise und vorsichtig über den Rasen, links runter in die Forststraße Richtung Ferienhaus zu begeben. 

 

Begeistert und dennoch müde machst Dich am nächsten Morgen auf den Weg zur Piste, wieder mit dem Bus, weil wieso nicht, in welchem anderen Land ist dein Ski in der Hand Ticket zur Weiterreise? Erledigt bist wegen dem schwachen Instantkaffee, den Du Dir wieder für die Reise eingepackt hast, obwohl er ned schmeckt und ned weckt, Du aber kein Lebensmittelverschwender bist und ihn auch so versuchst zu genießen, trotzdem doch die schöne Landschaft und sich mit ihrer Klasse im Skiausflug befindeten (schaut so der passiv von befinden aus? Wurscht, ihr wissts, was ich meine) ahnungslosen Kinder dir doch Freude bereiten. Du warst ja selber schon in der gleichen Situation - bei 26 Jahren an Leben ist der letzte Skiausflug dann doch nicht so lange her - und verspürst bei dem Lärmpegel eher Nostalgie als ein Oida-kennts-ihr-Gretzn-eich-vielleicht-a-weng-leiser-in-die-Ohren-schreien Gefühl. 

 

Auf und ab gehts, fünf Tage lang, steil und flach, Mogal und Eis (wär ein geiler Titel für eine Fortsetzung von GoT), wo ich mir bewusst werde, dass sich unser Erwachsenleben vom Kind sein nur durch fehlende Zeit trennt. Irgendein ein perverser, dem Leben mit Hass gerichteter, wahrscheinlich in der Hose klein-beschmückter Mann, ist auf die Idee gekommen, dass wir uns mindestens fünf von sieben Tage die Woche abhackeln müssen, und sich mit lapidaren 25 Tagen an „Urlaub“ zufrieden geben müssen. Aufpassen Leser, zwei Fehler hättest im vorherigen Satz schon finden müssen. Ich geb Da ein paar Minuten… Ja jetzt ist ja klar!  Zum Einen kanns nicht nur ein Mann gewesen sein, so etwas Dummes muss von einer Herde an unterbelichteten Männern weiter an ihre Kinder, und Enkelkinder, und den Nachbarn, und den Leuten am Stammtisch, und dem Obdachlosen auf der Mahü (wienerisch für „Mariahilferstraße“), in die Seele geprügelt werden - damit es so fest in uns sitzt und der vorherige Depp sich kein schlechtes Gewissen machen muss, dass er mehr als ein Drittel seines Leben in Arbeit investiert hat. Ich sag jetzt investieren, ich mag ja meine Arbeit und Kollegen, andere würdens ‚verschwenden‘ nennen. Zum Anderen ist es eine Zumutung, eine Frecheit sogar!, zu glauben, dass 25 Tage im Jahr genug wären, irgendeine Art an Urlaub zu verspüren. Teil Dir die fünf Wochen über die 52 Kalenderwochen auf, was bleibt Dir? Eine Woche pro zehn Wochen Arbeit, na hawidere. Zwei Tage rechnest schon mal weg für die Reise, na gut wennst gscheid bist, nimmst Dir den Samstag und Sonntag davor und danach auch noch mit. Jetzt bist fest gesattelt im „Urlaub“, bist schon fiebrig gespannt auf die wohlersehnte Entspannung, und HOPPPPPPP da schleicht schon der kleine Teufel in Dir, um ja sicher zu stellen, dass er weiß und Du Dir unbedingt, unbedingt, vor Augen halten solltest, dass egal wie lange der Urlaub ist, du ja eh bald wieder heim in den Alltag gehst. Wie willst Dich da wirklich entspannen? Wie soll ich mich dem Skifahren wie ein Kind - ahnungslos aber doch irgendwie mehr im Moment als die meisten so coolen Erwachsenen - widmen, wenn ich in den paar Tagen den Alltagstress nicht ordentlich abbauen kann?  

 

Man darf ja nicht zu viel ranzen, uns gehts super. Ich will mich aber trotzdem nicht mit weniger zufrieden geben, wenn ich weiß, dass es mehr gibt. Deshalb ein Appell an Dich: Wenn Dir des nächste Mal der Arbeitskollege, der/die Freund/in, der Vater, die Mutter, von mir aus der zukünftige Bundeskanzler Kickl höchst persönlich, klar machen will, dass es uns mit fünf Tagen Arbeit eh so gut geht und eh alles so leiwand ist, dann fahrst erm oder ihr bitte 

mal so richtig drüber. Die Person ‚watscht‘ (österreichisch für „ohrfeigen“) gleich so lange, bis Du ihm/ihr diesen Blödsinn direkt wieder aus der Seele treibst. Die Ohrfeigen meinte ich im übetragenden Sinne; obwohl, wennst wirklich den Kickl gegenüber Dir hast, da kannst ihm schon eine Ohrfeige im wortwörtlichen Sinne so antauchen (österreichisch für „mit Hieb“), dass er ja nie wieder meint, mit seinen über zwanzigtausend Euro Brutto Gehalt im Monat ein Mann des Volkes zu sein.  

 

Mittlerweile wirst Du Dir sicher gedacht haben: Leb ich grad einen Fiebertraum? Gehts dem Mehdin noch gut? Die Antwort ist: ja. Danke, endlich denkst an mich. So selbstlos von Dir? Wann hast mich des letzte Mal gefragt, wies mir so geht? Ha? Spass… Ich hab letztens ein ganz besonderes Buch gelesen, von der Elfriede Jelinek, heißt „Gier“, und - bist Du oag (österr. Für „schlimm“) - hat mich des Buch wahnsinnig gmacht. Die Dame redet und redet und redet, die hat ihr Leben lang noch nie was von einem rotem Faden gehört. Erst irgendwie zum Schluss (Achtung es folgt kein Spoiler), nach gut 450 Seiten, hat dann die eigentliche Story angefangen. Da ist mir die Elfriede richtig sympathisch geworden. Hat die mich ernsthaft dazu gebracht, mich Monate lang während dem Lesen gegen das Einschlafen zu wehren, um erst gegen Ende zu der Einsicht zu kommen, dass sie so schreibt weil sie so ist wie sie ist und sich selbst nicht fügt damit so ein Wappler (österr. für „Trottl aus Wien“ [widerum österr. für „Idiot aus Wien“]) wie ich „Freude“ am Lesen verspürt (Kommas sind mit Absicht ausgelassen worden; stell Dir vor, ich hab den Satz richtig schnell geschrieben!)? Ein Buch zu schreiben, das dem Leser gut tut, ist eines. Aber etwas zu schreiben, dass DIR gut tut, auch wenn es dem Leser vielleicht ein wenig Leid zusetzt, das ist ja eine Leistung der Elite. Die Elfriede muss ein Charakter sein, die Dame. Grüße gehen raus an die Frau Jelinek! So wie in diesem Post gehts bei der Jelinek auch zu, vielleicht ein bisschen notgeiler hätt ichs noch verfassen können, um dem Schreibstil ihres Werkes „Gier“ gerecht zu werden. Wenns Dir gefallen hat und Du ein paar Monate Zeit zum Lesen hast, schnapp dir gleich ein Buch von der Elfriede, aber wehe Du liest es nicht fertig! Gewarnt hab ich Dich ja schon. War mir eine Freude, Tschüss und Aufwiedersehen, passts auf Euch auf, seits Lieb zu einander, des Leben ist zu kurz für Sorgen! 

 

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